Begegnungen eines Quedlinburgers mit einem Nachtwächter

 
 

Robert Bosse:

Ehrenbürger der Stadt Quedlinburg
Staatsmann im preußischen Dienst – Kultusminister
geb. : 12. Juli 1832 in Quedlinburg
gest. : 31. Juli 1901 in Berlin
 

Robert Bosse beschreibt in seinen Erinnerungen ,, Aus der Jugendzeit“ Begegnungen mit einem Nachtwächter . Nach seinem Studium in Heidelberg kehrte Robert Bosse wieder zurück in seine Heimatstadt nach Quedlinburg. Er beschloss zum 1. Oktober 1851 nach Halle zu gehen, um sein ,,Freiwilligenjahr“ beim preußischen Militär abzuleisten. In diesem Jahr erlebte er nochmals ein relativ freies und ungebundenes Jugendleben. In einer Kaserne brauchte er nicht wohnen. Er wohnte privat bei einer befreundeten Familie seiner Großmutter. Da er in diesem Freiwilligenjahr nebenbei noch sein Studium fortsetzte, hatte er auch Verbindungen zu ,,Korpsbrüdern“ , mit diesen zog er nach getaner ,,Zeche“ nach Hause. Hier schildert er in seinen Erinnerungen aus dem Jahre 1851 folgende zwei Erlebnisse mit dem Nachtwächter in Halle.

,,Eines Abends bekamen einige ,,Korpsbrüder“ von mir beim Nachhausegehen von der Kneipe Skandal mit einem Nachtwächter. Ich war mit einem Kommilitonen vorausgegangen, kehrte mit diesem , als wir die lauten Stimmen der Streitenden hörten, um und kam gerade noch zurecht, um zu sehen, wie der Nachtwächter von zwei unserer Leute festgehalten und von einem Dritten mit dessen Spazierstock geprügelt wurde.

Einmal mußte natürlich diese Exekution aufhören. Sobald der Nachtwächter losgelassen wurde, stoben wir nach allen Himmelsrichtungen auseinander, hörten aber hinter uns den schrillen Ton der Notpfeife. Ich hatte mit meinem Begleiter bald eine Querstraße gewonnen und ging diese höchst ehrbar in langsamem Schritt und ehrbarem Gespräch mit ihm hinunter. Bald kamen zwei Nachtwächter uns entgegen gelaufen und fragten, ob wir nicht wüsten, wo etwas los gewesen sei. Wir wiesen sie nicht gerade auf den nächsten Weg zu ihrem geprügelten Kameraden und kamen für unsere Person unbehelligt nach Hause.

Ein andermal kam ich mit einigen Kommilitonen am Eingang zum Jägerplatz Nachts bei strömendem Regen an einem Nachtwächterhäuschen vorbei, in das sich der Nachtwächter, um sich vor dem Regen zu schützen, eingestellt hatte. Wir sahen sofort, daß das hölzerne Schilderhäuschen für den in seien Mantel gehüllten Nachtwächter zu eng war, und daß er nicht ohne Mühe sich würde durch die Eingangsöffnung wieder durchzwängen können.

Ohne das ein Wort gesagt worden war, hatten wir uns verständigt. Wie auf Kommando griffen wir das Schilderhaus an, legten es samt seinem Insassen dergestalt um, daß die Öffnung unten lag, und setzten und darauf. Natürlich beschwor uns der arme Nachtwächter himmelhoch mit Drohungen und Versprechungen, wir möchten ihn hinauslassen. Er war wirklich in einer verzweifelten Lage. Endlich standen wir auf, sagten uns gute Nacht und gingen gemächlich nach Hause. Ehe der arme Kerl sich noch aus seinem Kasten zu befreien vermocht hatte, waren wir längst in unseren Wohnungen“.