Eingesperrt in der Gruft

 

Auf dem Friedhof der Wipertiikirche gibt es nicht nur Erdbestattungen, sondern für die Beisetzung verwendet man auch gemauerte Gruften. Diese Gruften liegen oberhalb der Erde, sind mit Türen versehen und lassen sich jederzeit betreten, damit man Zwiesprache mit dem Verstorbenen halten kann. Dieses gilt auch für Fest- und Gedenktage zum Ablegen von Blumengebinden direkt am Sarg.

Der Friedhof lag zu der damaligen Zeit, so um 1900, direkt an einem landwirtschaftlichen Betrieb. Die Melker, die Morgens und Abends diesen Betrieb aufsuchten oder verließen, nahmen ihren Weg dahin als Abkürzung über den Friedhof und das jeden Tag.

Nun begab es sich, daß ein Quedlinburger Namens Pape, es war schon nach Feierabend, seine verstorbene Frau besuchte und ihr einen Blumenstrauß ans Grab brachte. Er öffnete die mit einem Schloß versehene Tür, betrat den Gruftraum und hielt Andacht. In dieser Andachtzeit schlug die Tür zu. Er war gefangen, denn die Türen ließen sich damals noch nicht von innen öffnen. Alles Rufen half nichts, er saß fest, denn Abends waren zu dieser Zeit kaum Besucher anzutreffen.

Die Nacht war lang, doch er mußte ausharren. Morgens in der Frühe kamen die Melker wie sie es gewohnt waren über den Friedhof. Sie hörten aus der Gruft ein fürchterliches Geschrei :

„Macht uff, der Pape sitzt gefangen in der Gruft“.

Unter den Melkern breitete sich Entsetzen aus, denn die Sonne war noch nicht aufgegangen und solch ein Geschrei. Man merkte aber bald welch Unglücklicher hinter dem Geschrei stand, man befreite ihn. Nachzutragen ist noch, daß der Herr Pape nach dieser Nacht ganz weiße Haare auf dem Kopfe hatte.

Erzählt von Christa Rinäcker