Kirchenbrand

 

Am 29. April 2011 jährt sich der große Brand der Marktkirche zum 110 mal.

 

Dazu habe ich im „Quedlinburger Kreisblatt“ folgenden Artikel gefunden.

Brand der Kirche St. Benedikti. Unsere ehrwürdige Marktkirche hat ein trauriges Geschick ereilt: Ein Feuer hat den oberen Theil des Hauptthurmes vollständig zerstört und den Glockenthurm schwer beschädigt. Wie verlautet, ist der Brand in der Wohnung des Thürmers heute früh 4 ein halb Uhr dadurch entstanden, daß eine Petroleumlampe beim Auslöschen explodierte. Der Versuch, denselben mit Wasser zu löschen, mißlang, begünstigte im Gegentheil die Verbreitung des Feuers, sodaß der Thürmer und seine Frau kaum noch Zeit hatten, durch Anschlagen der Glocken auf die drohende Gefahr aufmerksam zu machen, dann aber schleunigst flüchten mußten.
Die Feuerwehr war bald zur Stelle und ging sofort mit allen Kräften an die überaus schwierigen Löscharbeiten. Das Feuer hatte schnell den Glockenthurm ergriffen, und diesen galt es zunächst zu schützen.
Der aufopfernden Thätigkeit der Feuerwehr gelang dies auch zum Theil, es konnte aber nicht verhindert werden, daß das Feuer, angefacht durch den in der Höhe herrschenden Luftzug, auch den Hauptthurm ergriff. Dieser stand bald in hellen Flammen, ein schaurig-schöner Anblick für die nach Tausenden zählenden Zuschauer. Die Hitze wurde allmählich unerträglich, und die Gefahr, von den herabstürzenden Trümmern getroffen zu werden, war so groß, daß die Löschungsarbeiten zeitweilig eingestellt werden mußten. Inzwischen hatten die Flammen die äußerste Spitze des Thurmes erreicht, gegen 6 Uhr stürzte mit gewaltigem Getöse der Thurmknopf mit der Wetterfahne herab und blieb auf dem Kirchendach liegen, in das er ein Loch einschlug. Der hierdurch verursachte Brand nahm glücklicherweise keine größere Ausdehnung an, konnte vielmehr bald gedämpft werde. Nun war es auch wieder möglich Löscharbeiten in größerem Umfang aufzunehmen, an denen sich die inzwischen herbeigeeilten Mannschaften unserer hiesigen Garnison betheiligten. Immerhin mußte man noch mit großer Vorsicht zu Werke gehen, da fortwährend brennende Balken herabfielen. - Der obere Theil des Hauptthurmes ist bis an den Rand des Mauerwerkes vollständig zerstört, und der kleinere Thurm, in dem die Uhrglocke hängt, ist so schwer beschädigt, daß er voraussichtlich wird abgetragen werden müssen. Einstweilen hat man ihn durch Stützen vor dem Zusammensturz geschützt. Gleichwohl muß man froh sein, daß es durch die angestrengte Arbeit unserer wackeren Feuerwehr unter der umsichtigen Leitung ihres bewährten Brandmeisters gelungen ist, das Uebergreifen des Feuers auf die Glockenstühle und die Kirche zu verhindern.
 

Der Markt - im Hintergrund die Marktkirche ohne Turm - Postkarte von 1902


Instruction für den Thürmer auf dem St. Benedicti Kirchthurm hierselbst

gefunden im ,,Gemeinnütziges Wochenblatt für Quedlinburg und die Umgegend“ vom 14. Februar 1857

§. 1

Der Thürmer muß unausgesetzt, sowohl bei Tage, als auch bei Nacht, ein wachsames Auge darauf haben, ob in hiesiger Stadt, oder in der Umgegend eine Feuersgefahr vorhanden sei.
§. 2
Er ist insbesondere gehalten, sich zu den , in dieser Instruction bestimmten Zeiten auf dem Thurme nach allen Richtungen hin umzusehen und, je nach seinen Wahrnehmungen, die vorschriftsmäßigen Signale auf das Schleunigste zu geben.
§. 3

Die Umschau muß erfolgen:

  • am Tage,

  • halbstündlich nach jedem Voll- und nach jedem Halbschlag,

  • während der Nachtzeit aber

  • allviertelstündlich nach jedem Viertelschlage,

  • und als Tageszeiten gelten

  • im Sommer, d. h. In den Monaten April, Mai, Juni, Juli, August und September

  • die Stunden von Morgens 4 bis Abends 9 Uhr,

  • im Winter dagegen und namentlich in den Monaten Oktober, November, Januar, Februar uns März

  • die Stunden von Morgens 6 Uhr bis Abends 5 Uhr,

  • als Nachtzeit aber

  • in den Sommermonaten

  • die Stunden von 9 Uhr Abends bis 4 Uhr Morgens,

  • und in den Wintermonaten

  • von 5 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens

§. 4
Bemerkt der Thürmer durchaus nichts Verdächtiges in der Stadt und in dem Gemeindebezirke, so giebt er zu den vorbestimmten Zeiten nach allen Richtungen hin aus dem dazu bestimmten Fenstern, resp. Luken das Sicherheitssignal durch einmaliges Blasen auf dem Horne.
§. 5
Nimmt er mit Bestimmtheit war, daß in hiesiger Stadt, oder deren Umgebungen eine Feuersbrunst zum Ausbruch gekommen, oder im Entstehen sei, so giebt er ohne den geringsten Verzug, je nach seiner Wahrnehmung,
das erste Signal
vermittelst des langsam und deutlich gesprochenen Rufesdurch das Sprachrohr:
 
  • Feuer! Altstadt! oder

  • Feuer! Neustadt ! oder

  • Feuer! Westendorf! oder

  • Feuer! vor der Altstadt! oder endlich

  • Feuer! vor der Neustadt!

Zunächst nach der Stadtgegend, wo das Feuer stattfindet, dann aber auch nach den 3 übrigen Richtungen hin.
Das zweite Signal
zur Nachtzeit, durch Aushängen einer hellscheinenden Laterne, am Tage durch Aufstecken einer rothen Fahne nach der Richtung hin, wo die Feuersbrunst stattfindet und hiernächst eiligst auch
das dritte Signal

durch Stürmen mit der Glocke auf dem St. Benedicti Kirchthurme , dergestalt, daß ein Feuer in der Altstadt, zu der der Neueweg mitgerechnet wird, durch 2 Glockenschläge, welche schnell auf einander folgen,

ein Feuer in der Neustadt durch 3 rasch auf einander folgende Glockenschläge,

ein Feuer im Westendorf durch 4 solcher Glockenschläge,
ein Feuer vor den Thoren der Altstadt durch 2 einander rasch folgenden Glockenschläge und Einen einzelnen, den ersten nach kurzer Pause folgenden Schlag und
ein Feuer vor den Thoren der Neustadt durch 3maliges schnelles Anschlagen mit der Glocke und Einen einzelnen, nach kurzer Pause folgenden Glockenschlag angekündigt wird.
§. 6
das Stürmen mit der Glocke zu St. Benedicti muß so lange fortgesetzt werden, bis der Thürmer sich überzeugt hat, daß solches auch auf allen übrigen Kirchthürmen der Stadt begonnen habe und die Nachtwächter, wenigstens der nächsten Reviere , das Signal richtig aufgenommen haben.
Zwischen den einzelnen Signalen mit der Sturmglocke ist jedes mal eine etwas längere Pause zu halten.
§. 7
Sobald der Thürmer die Überzeugung gewonnen hat, daß das Feuersignal durch Stürmen überall richtig wiedergegeben werde und daß solches auch von den Wächtern der umliegenden Revieren richtig aufgefaßt sei, hat derselbe mit dem Stürmen inne zu halten und sich umzusehen, ob sonst in der Stadt nichts verdächtiges wahrzunehmen sei.
§. 8
Entdeckt er Spuren einer etwa entstandenen zweiten Feuersbrunst, so hat er dieselbe sofort, und zwar zunächst nach der Gegend hin, wo solche stattfindet ganz in der vorangegangenen Weise zu signalisieren.
§. 9
Ist aber in den übrigen Stadttheilen nichts Verdächtiges zu bemerken, so hat der Thürmer in der Regel nach Verlauf einer Stunde nach Ausbruch des Feuers die regelmäßige Umschau zu den oben bestimmten Zeiten zu halten und die gewöhnlichen Sicherheitssignale nach den Richtungen hin, wo die Feuersbrunst nicht stattfindet, zu geben.
§. 10
Dabei sind jedoch in den Zwischenzeiten die Signale mit der Sturmglocke so lange zu wiederholen, bis von dem Dirigenten der Polizei des Feuerlöschwesens durch einen Polizeisergeanten, oder Magistratsboten die Weisung, daß damit ganz aufzuhören sei, erfolgt.
§. 11
Bedarf der Thürmer zum Stürmen einer Hülfe, so hat er solche auf seine Kosten anzunehmen. Er ist aber für die Handlungsweise solcher Hülfsleistenden verantwortlich und hat dieselben daher aufs Genaueste in Gemäßheit dieser Instruction zu unterweisen und in ihrem Verfahren zu überwachen.
§. 12
Bemerkt der Thürmer in hiesiger Stadt, oder dem dazu gehörenden Gemeinebezirke irgend welche verdächtige Anzeichen, welche darauf schließen lassen, daß eine Feuersbrunst im Entstehen, oder im Verborgenen bereits entstanden sei, so hat er die Stelle, oder Gegend, wo er die Gefahr vermuthet, ununterbrochen aufs Genaueste so lange zu beobachten, bis er von dem Grunde oder Ungrunde seiner Besorgniß vollständige Ueberzeugung erlangt hat. Gleichzeitig aber hat er in dergleichen zweifelhaften Fällen dem, auf dem St. Benedicti-Kirchhofe wohnenden Polizeisergeanten mit der Klingel das Zeichen zu geben und demselben, sobald er durch Erwiderung das Zeichen zu erkennen gegeben hat, daß er in Bereitschaft sei, von seinen Wahrnehmungen Mitteilung zu machen und ihn aufzufordern, schleunigst zuförderst den Wächter des betreffenden Reviers mit einer genauen Recherche an Ort und Stelle zu beauftragen und demnächst den Polizei – Commissarius oder Bürgermeister von der Sache in Kenntniß zu setzen. Inzwischen darf der Thürmer seinen Posten nicht eher verlassen, als bis ihm weitere Nachricht zugeht. Kommt wirklich ein Feuer zum Ausbruch, so sind die vorgeschriebenen Signale sofort zu geben.
§. 13
ehufs Erlangung einer genauen Kenntniß von der Richtung und Entfernung aller in der Umgegend , namentlich im zweimeiligen Umkreise der Stadt, gelegenen Ortschaften und einzelnen Etablissements, hat der Thürmer bei jeder sich ihm darbietenden Gelegenheit diejenigen Zeichen und Merkmale, welche über Lage und Entfernung auch der , vom Thürmer nicht zu sehenden Orten näheren Aufschluß geben können, auf das Sorgfältigste zu beachten und sich einzuprägen.
§. 14
Nimmt er auswärts einen Feuerschein oder Rauchwolken von solcher Beschaffenheit wahr, daß mit Gewissheit auf ein Brandunglück zu schließen ist, so kommt es darauf an, ob in Betreff des Ortes, wo die Feuersbrunst stattfindet, oder doch darüber, ob der Ort des Feuers nicht weiter, als 2 Meilen von hier entfernt sei, ein Zweifel obwaltet, oder nicht. Letzteren Falls ist sofort das Zeichen mit der Klingel nach der Polizeisergeanten-Wohnung zu geben. Sobald das Zeichen vom Sergeanten erwidert und damit zu erkennen gegeben ist, daß Letzterer bereit ist, die ihm vom Thurme zu machende Mittheilung zu vernehmen, hat der Thürmer demselben seine Wahrnehmung, unter deutlicher Angabe des Ortes zuzurufen und sich zu überzeugen, daß er verstanden sei. Der Polizei-Sergeanten hat hierauf ohne Säumen für die möglich schleunige Absendung der Landspritzen zu sorgen.
§. 15
Ist der Thürmer darüber in Gewißheit, daß das Feuer weiter als 2 Meilen von hier entfernt sei, so hat er dasselbe zwar zu beobachten, jedoch nur im Falle einer längeren Dauer, oder einer ungewöhnlich großen Ausdehnung Nachricht zu geben.
§. 16
Erscheinen Ort und Entfernung der Feuersbrunst zweifelhaft, so hat der Thürmer ohne Verzug das Zeichen mit der Klingel zu geben und, sobald solches von Unten erwidert worden, den Polizei-Sergeanten aufzufordern, je nach Befinden der Umstände auf den Thurm zu kommen, oder den Polizei -Commissarius, nöthigen Falls auch den Bürgermeister zu veranlassen, den Thurm, Behufs zu treffender Bestimmung wegen Absendung der Landspritzen, zu besteigen.
§. 17
Im Übrigen wird es dem Thürmer zur strengsten Pflicht gemacht, in der auf dem St. Benedicti-Kirchturme ihm angewiesenen Wohnung mit Feuer und Licht im höchsten Grade vorsichtig umzugehen und sich namentlich nach Eintritt der Dunkelheit beim Umhergehen auf dem Thurme nie eines offenen Lichtes, sondern stets einer wohl verschlossenen Laterne zu bedienen.
§. 18
Ohne Vorwissen und Genehmigung des Bürgermeisters darf der Thürmer sich in seinem Posten durch keinen Dritten vertreten lassen.
Er darf sich daher ohne Erlaubniß des Bürgermeisters aus der Stadt nicht entfernen und hat, wenn er durch Krankheit, oder andere, nicht zu beseitigende Hindernisse von der Verrichtung seines Dienstes abgehalten wird, dafür zu sorgen, daß der Bürgermeister hiervon rechtzeitig benachrichtiget und demselben der Stellvertreter bezeichnet werde.
Ob die Kosten einer solchen Stellvertretung vom Thürmer zu tragen, oder theilweise aus die Kämmereikasse zu übernehmen sind, hängt in jedem besonderen Falle lediglich von dem Ermessen des Magistrat ab.
§. 19
Verstöße gegen die Bestimmungen dieser Instruction, oder Vernachlässigung und Verabsäumung derselben werden unnachsichtlich mit Ordnungsstrafen, welche nach Befinden der Umstände in Geldbußen oder Gefängniß bestehen, geahndet und können sogar die Entfernung vom Dienste zur Folge haben.
  Quedlinburg, den 7. Februar 1857
   
 

D e r M a g i s t r a t.

   

Vorstehende Instruction des Thürmers zu St. Benedicti wird nachrichtlich hierdurch zur Kenntniß des Publicums gebracht.

   
  Quedlinburg , den 7. Februar 1857
   
 

D e r M a g i s t r a t


1903