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Empfang im Ratskeller am 14. Juni 1785 |
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Schon
seit der Zeit der sächsischen Kaiser war der Aebtissin des freien
Reichsstifts Quedlinburg ein Schutzvoigt an die Seite gestellt, der ihr
gegen ihre Feinde, besonders in Kriegszeiten , ein Beschützer sein sollte.
Das Schutzamt wurde im Laufe des Mittelalters von den verschiedenen
Fürsten verwaltet. Im Jahre 1480 wurde es durch die Aebtissin Hedwig der
albertinischen Linie der Wettiner , die noch heute in Sachsen regieren,
übertragen und schließlich durch Kurfürst August der Starke 1698 an den
Hohenzollern Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg verkauft.
Da der Schutzherr nicht selber in Quedlinburg anwesend war, ließ er sich
durch den Bevollmächtigten, den Stiftshauptmann , vertreten. Dieser sollte
zugleich auch ein Beamter der Aebtissin sein; noch 1541 bestimmte Herzog
Heinrich von Sachsen in einer Instruktion : ,,Der Stiftshauptmann soll
nach ,,Uns“ mit Eiden der Pflichten verwandt sein, auch der Aebtissin zu
dienen, zu reuten und zu senden, das heißt auf Befehl und im Namen der
Äbtissin berittene Boten auszusenden“.
Je mehr aber vom 16. bis 17. Jahrhundert die Schutzherren darauf
ausgingen, in Stift und Stadt Quedlinburg als Landesherr aufzutreten, um
so mehr zeigten sich die Stiftshauptleute einseitiger als die
schutzherrliche Beamte und Vertreter. Dies geschah besonders in der 1698
beginnenden preußischen Zeit und zeigte sich ganz ausgeprägt, wenn ein
neuer brandenburgisch-preußischer Stiftshauptmann eingeführt wurde. Diese
Einführung erfolgte dann unter den höchsten Ehrenbezeugungen und
gestaltete sich immer mehr zu einer Huldigung a n den Schutzherren,
keineswegs zur Freude der Aebtissin, die in solcher dem Schutzherren
geltenden Ehrung einer Beeinträchtigung ihres eigenen Ansehen erblickte
und daher mit ihren Beamten, obgleich sie eingeladen war, den
Feierlichkeiten fern zu bleiben pflegte.
Die Ratsakten geben über die Einführungsveranstaltungen genaue Auskunft,
da bei den Vorbereitungen des Magistrat alle Beschlüsse genau
protokolliert wurden; ebenso hatte nach dem Feste der Ratsschreiber einen
Bericht vorzutragen.
Diese Aufzeichnungen sind als kulturgeschichtliche Quellen lesenswert,
geben sie doch einen Einblick in die damaligen Sitten und Gebräuche und in
die gewissenhafte Art, mit der unsere Altvorderen solche Feste
ausgestalteten. Besonders fesselnd dürfte es sein, zu erfahren, was damals
die Quedlinburger, ,,ehrsamen Rathsherren“ voran, im Essen und Trinken
leisten konnten und was sie dabei ihren hochverehrten Festgästen in dieser
Leistungsfähigkeit zu muteten.
Es sei unserer Schilderung die
E i n
f ü h r u n g d e s S t i f t s h a u p t m a n n s A n t o n v o n A r n
s t e d t
am 14.
Juni 1785 zugrunde gelegt; einmal steht sie unserer Zeit besonders nahe,
weil sie den letzten der Stiftshauptleute galt, der 1803 Stift und Stadt
Quedlinburg in den preußischen Vollbesitz überführte, zweitens sind hier
die Ratsprotokolle genau und anschaulich, und drittens interessiert uns
gerade die Einführung deshalb, weil es sich um einen Vorfahren des
ehemaligen Regierungspräsidenten von Arnstedt handelt, dem nicht wenige
Bürger unserer Stadt , der Magistrat voran, ein dankbares Andenken
bewahren. |
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Nachdem König Friedrich II. durch Kabinettsorder vom 29. April 1785 den
bisherigen Kriegs- und Domänenrat Anton von Arnstedt in Magdeburg zum
Stiftshauptmann und Obersteuerdirektor von Quedlinburg bestellt hatte,
wurde dem hiesigen Magistrat aufgegeben, an den neu ernannten
Stiftshauptmann die seinem Vorgänger, Geheimrat und Stiftshauptmann v.
Berg, gezahlte Besoldung in Höhe von 262 Thalern vom 1. Mai ab aus der
Magistratskasse zu zahlen. Mit der Einführung des Herrn v. Arnstedt in
seinen Amt beauftragte der Königl. Preußische Kammer Präsidenten Geheimrat
aus dem Winkel , Exzellenz in Magdeburg, der dem Magistrat unterm 4. Juni
1785 bekannt gab, daß er als Tag der ,,Introduktion“ den 14. Juni in
Aussicht genommen habe; es möge das ,,bei solchen Handlungen gewöhnliche
und observantz mäßige“ veranstaltet werden.
Das bei derartigen Introduktionen übliche Zeremoniell legte dem Magistrat
allerlei Repräsentationspflichten und erhebliche Kosten auf. Der Stadt lag
die Einholung, Unterbringung, Bedienung und Bewirtung des mit der
Einführung des neuen Stiftshauptmanns betrauten Königl. Kommissars sowie
des Stiftshauptmanns und außerdem die Herrichtung eines größeren
Festmahles zu Ehren des letzteren ob. Bereits am 6. Juni traten ,,beide
Mittel“ , das heißt beide Ratsabteilungen, zu einer vorbereitenden
Besprechung zusammen und faßten u.a. den Beschluß, daß zur Bestreitung der
Einführungskosten von jedem Ratsmittel 200 Taler aufgebracht werden
sollen.
Wegen des für die Festtafel erforderlichen Wildbretes wandte sich der
Magistrat an den Fürsten Friedrich Albrecht von Anhalt auf Schloß
Ballenstedt und bat diesen untertänigst um Ueberlassung eines
,,Gelltieres“ und eines Rehbocks aus den fürstlichen Waldungen gegen
,,prompte Zahlung“. Auf Befehl des Fürsten ging am 11. Juni durch
Kabinettssekretär Reich dem Magistrat die Nachricht zu, daß , trotz aller
Mühe, die man sich gegeben, nichts geschossen worden sei als ein wildes
Schwein und zwei Rehe. Falls noch ein Gelltier geschossen werde, solle es
nachgesandt werden. Das ist geschehen, und zwar mit einem Stück Wild,
welches von Se. Durchtlaucht selbst erlegt worden war. Eine Bezahlung des
Wildes wurde abgelehnt; darüber heißt es in dem Begleitschreiben des
Försters: ,,Mein gnädiger Fürst machten sich ein Vergnügen daraus, Ihnen
mit diesem beikommenden Stücken unentgeldlich zu willfahren.
Der Magistrat stattete dem Fürsten seinen tiefgefühlten Dank dafür ab, der
aber unterm 27. Juni erwidern läßt, daß Se. Durchlaucht eine Danksagung
für das überschickte Wild gar nicht erwartet hätten, in dem diese
Kleinigkeit keinen Dank verdient. Auch wurde auf des Fürsten Befehl dem
Magistrat der für die Schützen des Wildes übersandte Louisdor
zurücherstattet, da man gar nicht mehr wisse, welche Jäger das Wild
geschossen haben. Wenn diese Angelegenheit an sich auch mehr
nebensächlicher Natur ist, so kennzeichnet diese Handlungsweise und das
Verhalten des Fürsten Friedrich Albrecht diesen als einen vortrefflichen
und liebenswürdigen Herrn und zeugt von dem freundschaftlichen Verhältnis
zwischen dem Ballenstedter Hof und der Stadt Quedlinburg.
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Bürgermeister und Rat beider Städte richteten am 9. Juni 1785 ein
Ergebenheitsschreiben sowohl an Seine Exzellenz den Geheimrat und
Kammerpräsidenten aus dem Winkel als auch an den neuernannten
Stiftshauptmann Geheimrat v. Arnstedt und trugen ihnen während ihres
Hierseins freie Bewirtung und freies Quartier in der Ratsapotheke am
Kornmarkt an, die damals noch in städtischen Besitz war und deren obere
Zimmer seinerzeit als Absteigequartier für solche Gäste dienten. Auch
wurden die Herren gebeten, den Magistrat die Zeit ihrer Ankunft und den
Weg, welchen sie nach hier zu nehmen gedenken, baldigst wissen zu lassen,
damit der städtische ,,Ausreuter“ sie an der Stiftsgrenze erwarten und
nach hier geleiten könne.
Am 10. Juni lief von Herrn v. Arnstedt bereits die zusagende Antwort ein.
Ueber die getroffenen Reisedispositionen läßt er den Magistrat wissen, daß
die Abreise von Magdeburg am Sonntag den 12. Juni, zu Wagen erfolge und
der Weg hierher über Egeln, Hakeborn und Hedersleben genommen werde und
man zwischen drei und fünf Uhr nachmittags in Quedlinburg ein zutreffen
gedenke.
War durch das Entgegenkommen des Fürsten von Anhalt dem Magistrat der
Wildbraten für die Festtafel kostenlos geliefert , so sollte ihm der Wein
um so teurer zu stehen kommen. Das A c c i s e Amt forderte nämlich für
die Einführung der verschriebenen ,,Ohme“ alten Rheinweines die Summe von
10 Talern. Es wandte sich der Magistrat beschwerdeführend an den
bisherigen Stiftshauptmann v. Berg und machte geltend, daß ihm zu
derartigen ,,feyerlichen Ausrichtungen“ , bei Introduktion der Frau
Aebtissin, bei Anwesenheit der französischen Offiziere im Jahre 1756 und
57 und bei den gefeierten Friedensfesten die A c c i s e auf Wildbrett,
Wein und dergl. erlassen sei. Der Herr Stiftshauptmann verfügte daraufhin,
,,daß, wenn Magistratus hiebevor bei der gleichen Vorfällen accisefrey
gewesen, es ferner dabey verbleiben müßte. Der Herr Stiftshauptmann wollte
darüber mit dem Accisebedienten sprechen“.
Nachdem das Programm für die Festlichkeit bis in alle Einzelheiten
festgestellt war, erübrigte sich noch die Reglung des Ehrendienstes, der
von Bürgern der Stadt geleistet wurde. So hatten am 14. Juni vor der
Stubentür auf dem Ratskeller (vermutlich muss es heißen auf der
Ratsapotheke, den Gästezimmern) 6 Bürger mit Partisanen und Degen
die Ehrenwache zu leisten und 6 Bürger in der selben Ausrüstung auf dem
Ratskeller. Die Ehrenwache, die vom 12. bis 15. Juni in der Ratsapotheke
zu stehen hatte, bestand aus 32 Bürgern, die in vier Wachen eingeteilt
waren. Unter den in dem betreffenden Ratsprotokolle aufgeführten Namen
dieser Bürger finden sich eine Anzahl aus solchen Familien, die auch heute
hierorts noch vertreten sind, z. B. Klewitz, Rabe, Kühne, Kratzenstein,
Sachtleben, Tettenborn, Riefenstahl usw.
Am Tage der Ankunft des neuen Stiftshauptmanns v. Arnstedt und des mit
seiner Einführung betrauten Geheimrats und Kammerpräsidenten aus dem
Winkel, am 12. Juni 1785 , wurde der ,,Ausreuter“ Schicke ,,in voller
Montur zu Pferde“ nach der Hederslebener Grenze geschickt, um die Wagen zu
erwarten und ihnen ,,vorzureiten“. Nachmittags gegen 5 Uhr gelangten sie
am Oeringer Tore an und fuhren den Steinweg und die Bockstraße entlang zur
Ratsapotheke, wo sie von beiden regierenden Bürgermeistern Rühle und
Henneberg und dem Stadtsyndikus Voigt empfangen und bewillkommt, auch
gebeten wurden, das übliche Ehrengeschenk, bestehend in zwei Wispel Hafer
und sechs Kannen Wein, anzunehmen, was auch zugesagt wurde.
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An dem
um 8 Uhr in der Apotheke stattfindenden Abendessen nahmen außer den beiden
Herren Präsident aus dem Winkel und Stiftshauptmann v. Arnstedt, die
Bürgermeister Rühle, Schwalbe, Henneberg und Wallmann sowie der
Stadtsyndikus Voigt teil. |
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Es werden dabei
gereicht: |
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zum 1. eine
Pastete von gespickten und eingebeizten Tauben
zum 2. Schmerlen
zum 3. ein Wildbraten
zum 4. eine Mandeltorte, Prünellen, Salat und etwas Obst dazu trank
man Rhein- und ,,Bourogne“ - Wein. |
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Am
nächstfolgenden Tage, dem 13. Juni 1785, erfolgte die Einführung des
neuernannten Stiftshauptmanns in der Hochfürstlichen Abtei auf dem
Stiftshause, d. h. auf dem Schlosse. Ueber diese wird in den vorhandenen
Ratsakten kurz folgendes berichtet. In Vertretung der derzeitigen
Aebtissin Anna Amalie, der Schwester Friedrich des Großen, war deren
Hofmarschall v. Medem nach hier gesandt. Um12Uhr mittags begab sich der
Genannte in einer von sechs Pferden bespannte Staatskarosse unter
Vorantritt des Kastellans Klewitz und gefolgt von den drei
fürstlich-propsteilichen Bedienten zur Ratsapotheke, um den Herren
Gesandten aus dem Winkel und den neuen Stiftshauptmann nach dem Schlosse
abzuholen. Bei der Durchfahrt der Herrschaften durch das Hohe Tor trat die
Garnisonswache ins Gewehr, das Spiel wurde gerührt und der Wachhabende
Offizier salutierte. Ueber den Akt der Einführung selbst finden sich in
den Akten keine näheren Nachrichten vor. Sie erfolgte im Auftrage der
Aebtissin Anna Amalie und in Gegenwart der Aebtissin des Klosters
Gandersheim durch die damalige Dekanissin Auguste Dorothea, Prinzessin von
Braunschweig, die den neuen Stiftshauptmann durch Handschlag
verpflichtete. Es wird ferner vermerkt, daß nach der Introduktion auf dem
Schlosse Tafel gehalten sei, zu der die beiden Altstädter Bürgermeister
Rühle und Schwalbe geladen waren.
Eine sehr eingehende und ausführliche Würdigung hat der Hergang bei der
feierlichen Verpflichtung des Magistrats durch den neuernannten Herrn
Stiftshauptmann erfahren, die am darauffolgenden Tage , den 14. Juni 1785,
auf dem Ratskeller vor sich ging. Zu den feierlichen Handlungen waren
durch die beiden Stadtkämmerer Freyert und Wurlitz u.a. persönlich geladen
, die zur Zeit im Stift hier anwesende Aebtissin des Kloster Gandersheim,
die Dekanissin des Stiftes Quedlinburg, Prinzessin Auguste Dorothea von
Braunschweig, der Hofmarschall der derzeitigen Aebtissin Anna Amalie ,
Prinzessin von Preußen, v. Medem, insgesamt 17 Personen, unter ihnen in
erster Linie Vertreter der höchsten Staatsbehörden samt ihrer Damen.
Außerdem waren durch den Ausreuter Schicke noch ,,invitiert“ 37 Personen ,
darunter zunächst die Offiziere der hiesigen Garnison nebst deren Damen,
die Bürgermeister, Kämmerer (=Ratsherren), Stadtschreiber beider Städte
usw.
Vormittags 11 ½ Uhr erfolgte die Abholung des Kammer= präsidenten aus dem
Winkel und des Geheimrats v. Arnstedt durch die zu Marschällen bestimmten
Kämmerer Freyert und Wurlitz . Der mit zwei Pferden bespannten Kutsche
schritten die genannten Marschälle voraus, während die beiden Ausreuter in
,,völliger Uniform, jedoch ohne Gewehr“ hinter dem Wagen hergingen. Das
Magistrats Kollegium erwartete die Herren im Hausflur des Ratskellers. Zu
beiden Seiten der Treppe bis hinauf zum Saal hatten die Beamten des
Magistrats Aufstellung genommen. Nachdem die Herren an der Haustür, von
den beiden Bürgermeistern in Empfang genommen waren, begaben sie sich von
diesen begleitet in den Saal, gefolgt von den auf den Treppen
spalierbildenden Personen. Die Aufstellung im Saale erfolgte in der Weise,
daß das regierende Mittel zur Rechten, das ruhende Mittel zur Linken der
Herren zu stehen kam. Nach dem letztere auf den für sie bestimmten Sesseln
Platz genommen, formierte sich das Magistrats Kollegium zu einem
Halbkreis, so daß zur Rechten des Kammerpräsidenten aus dem Winkel der
regierende Bürgermeister Rühle, zur Linken des Stiftshauptmann v. Arnstedt
Bürgermeister Schwalbe zu stehen kam. Dann nahm Kammerpräsident aus dem
Winkel das Wort zu einer Ansprache: er entledigte sich des ihm gewordenen
Auftrages in der Erwartung, ,,daß der Magistrat dem Herrn Geheimrat v.
Arnstedt als hiesigen Stiftshauptmann gebührende Hochachtung und Gehorsam
erzeigen werde. Zu diesem Eide würden der Magistrat und dessen sämtliche
Mitglieder dem Herrn Stiftshauptmann den Handschlag leisten“.
Im Namen des Rats beider Städte hielt darauf der Stadtsyndikus Voigt eine
den Akten beigeheftete längere Rede, in der er sich besonders an den
neuernannten Stiftshauptmann wandte und u. a. folgendes sagte: ,,Die
Würde, welche Sie gnädiger und höchstzuverehrender Herr Geheimrat und
Stiftshauptmann, in diesen Tagen übernommen haben, ist eine der
wichtigsten. Sie sind Königl. Statthalter im hiesigen Stift. Sie sind der
Chef der hiesigen Königl. Gerichte und der Königl. Finanzen. Die hiesige
Bürgerschaft erwartet von Ihrer Exzellenz kräftigen Schutz und Beistand
zur Erhaltung ihres Nahrungsstandes. Se. Majestät wollte Ihrem edlen
Herzen einen ausgebreiteten Wirkungskreis zu weisen, um als Staatsmann,
als Patriot, als Bürgerfreund, als Beschützer der Unschuld das Glück
dieses Hochstifts und seiner einzelnen Untertanen zu erhöhen. Wir haben
die Ehre, Ihnen zum Antritt Ihrer erhabenen Würde nochmals feierlichst,
untertänig und mit dem wärmsten Gefühl unseres Herzen Glück zu wünschen.
Beseelt von der Hoffnung, daß die gütige Vorsehung unsere so gerechten und
heiligen Wünsche erfüllt werden, empfiehlt sich der hiesige Magistrat und
ein jeder unter uns insbesondere zu Ihren beiderseitigen Exzellenz
gnädiges Wohlwollen aller“.
Im Anschluß hieran ergreift Stiftshauptmann v. Arnstedt das Wort zu einer
,,wohlgesetzten und in sehr verbindlichen Ausdrücken abgefaßten Rede“, in
der er zuvörderst für die teilnehmende und verbindliche Art dankte, mit
der sie an ihm zum Antritt seines Amtes beglückwünscht habe. Außer dem
versicherte er, sich jederzeit zu bemühen, die Gerechtsame des Magistrats
und die hiesige Verfassung aufrecht zu erhalten. Könne er etwas zum
Vergnügen des Magistrats und eines jeden beitragen, so werde er dieses
sehr gerne und mit voller Bereitwilligkeit tun. In dieser Voraussetzung
erwarte er den üblichen Handschlag. Dieser erfolgte nun mehr zunächst
seitens des regierenden Bürgermeisters Rühle, sodann seitens des
Bürgermeister Schwalbe usw. ,,bis auf die Herren Registratoren
einschließlich“
An diesen feierlichen Akt schloß sich daß von der Stadt ausgerichtete
Festmahl an. Es waren zwei Tafeln hergerichtet, die eine für die ,,hohe
Gesellschaft in der Stube“, die zweite für die übrigen Herren ,,Camerarii“
und die ,,Subalternen“ auf dem großen ,,Redutensaale“. Die Tafel für die
Ehrengäste bildete, wie sich aus dem den Akten beigefügten Plane ersehen
läßt, ein offenes Viereck. In der Mitte der Längsseite der Tafel saß der
Kammerpräsident aus dem Winkel, ihm zur Rechten Frau Oberstleutnant v.
Tumpling, zur Linken Stiftshauptmann v. Arnstedt, diesem zur Linken Frau
Major
v. Bülzingsloewen, gegenüber Bürgermeister Rühle, Kriegsrat Fischer und
Stadtvogt Lindstedt. Es nahmen 25 Personen an dem Festmahl teil, 16
Geladene hatten ihr Fernbleiben entschuldigen lassen, unter diesen die
Frau Aebtissin von Gandersheim, die hiesige Frau Pröpstin und der Herr
Hofmarschall v. Medem, sodaß das Stift überhaupt nicht vertreten war. Die
Tafel hatte der Ratsbaumeister Ritter ,,serviert“. Das Vorlegen der
Speisen hatten Bürgermeister Schwalbe und Bürgermeister Henneberg
übernommen. Die An= und Zurichtung der Speisen und alle übrigen Bewirtung
ist von dem regierenden Bürgermeister Rühle ,,von Haus aus besorgt
worden“. Aufgetragen wurde von acht Bürgern. Als die hohe Gesellschaft an
der Tafel Platz genommen hatte, wurde das Festmahl mit Trompeten= und
Paukenschall eröffnet.
Und nun kommt das für unsere werten Quedlinburger Damen ohne Zweifel
Interessanteste – die Speisefolge.
Daß die von den damaligen Ratsherren als etwas ganz besonders Wichtiges
angesehen wurde, bezeugt die Tatsache, daß sie ganz genau in den Ratsakten
protokolliert ist, wie dies bei den früheren Ratsfesten mit gleicher
Gewissenhaftigkeit zu geschehen pflegte.
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Es wurden
folgende Speisen aufgetragen und verzehrt. |
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Erster Gang: |
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Zum 1. eine
Suppe mit Kapaunen, Erbsen, Wurzeln, Spargel mit ,,Saucisset“ in vier
Assietten.
Zum 2. Pasteten von eingebeizten und gespickten Tauben.
Zum 3. Forellen mit Zitronen und Weinessig.
Zum 4. Wildbraten.
Zum 5. Carbonade, Schlackwurst, Rinderzunge, Schinken, Lachs.
An Salaten und Kompotts gab es:
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- Sardellensalat
- Kopfsalat
- Stachelbeeren
- geschmorte Birnen
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Zum 6. Als
Nachspeisen: |
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- zwei Mandeltorten
- zwei Krafttorten
- Spritzkuchen
- zwei Assietten mit Konfekt
- zwei mit Rosinen
- zwei mit Knackmandeln
- zwei mit verschiedenen eingemachten Sachen
- zwei mit Zitronen=Creme
- zwei mit Gelee
- eine solche mit Bonbons
- zwei mit Datteln
- zwei mit Feigen
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Zweiter Gang: |
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Zum 1. Pasteten
mit Kalbsfleisch.
Zum 2. Rinderzunge mit Kirschsauce.
Zum 3. Schmerlen.
Zum 4. Gänsebraten.
Zum 5. Wildschweinbraten.
Zum 6. dazu Gurkensalat, Kräutersalat, Kirschen und Aepfel.
Zum 7 . Butter und Käse. |
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Dieselben Gerichte wurden auch an der zweiten Tafel in dem Redoutensaale
geboten, jedoch von jedem Gericht und Konfekt nur eine Assiette, aber
,,alles nur einfach aufgestellt, weil an derselben nicht soviel Personen
gewesen“.
Wie zu ersehen, dürften die gebotenen Gerichte, was ihre Auswahl betrifft,
auch dem jetzigen Geschmack nach jeder Seite hin entsprechen. Ganz
bedeutend aber werden unsere jetzigen Gastmähler durch die Anzahl der
Gerichte übertroffen. Auch heute noch lassen sich die Quedlinburger in
Bezug auf die Reichhaltigkeit der Speisefolge bei Fest= oder
Hochzeitsmahlen von keiner anderen Stadt übertrumpfen. Aber was ist der
heutige Brauch , bei dem 5 Gerichte schon viel sind, gegen den damaligen .
Man denke: 5 +7 = 12 voll ausgeprägte Gerichte!
Wie war es möglich, so viel ,,auf einen Sitz“ zu vertilgen?!, wird manche
Hausfrau fragen. Und doch läßt sich von dieser Zahl nichts abhandeln, in
dem man etwa darauf hinweist, daß die ,,zwei Gänge“ vielleicht für zwei
verschiedene Tafeln bestimmt gewesen seien. Dies war nicht der Fall. Auch
bei früheren Introduktions=Festen lassen die ,,Eß=Protokolle“ des
Magistrats keinen Zweifel darüber, daß jede Person, die an der Tafel saß,
genau 12 Gerichte auch wirklich vorgesetzt bekam, erst die des ersten und
dann die des zweiten ,,Ganges“. Zu beachten ist, daß hier ,,Gang“ nicht
einzelnes Gericht bedeutet (wie heute), sondern seine ursprüngliche
Bedeutung zeigt = das Hintereinander – Hergehen verschiedener Speisen.
Während der Tafel werden folgende ,,Gesundheiten“ getrunken und in
,,Pokalen“ ausgebracht.
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Zum Ersten: Auf
Se. Majestät den König.
Zum Zweiten: Ihre Königl. Hoheit die Frau Aebtissin.
Zum Dritten: Auf das gesamte Königl. Haus.
Zum Vierten: Auf ihre Hochfürstliche Durchlaucht die Frau Pröbstin.
Zum Fünften: Auf das Hochwürdige Stiftskapitel.
Zum Sechsten: Auf den Kammerpräsidenten aus dem Winkel.
Zum Siebten: Auf den Stiftshauptmann v. Arnstedt.
Zum Achten: Auf das Wohlsein der hiesigen Garnison. |
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Die gleichen Trinksprüche wurden auch an der zweiten Tafel im
Redoutensaale von dem damit beauftragten Stadtvogt, Kämmerer Lindstedt,
ausgebracht und zwar in der Weise, daß sie von dem regierenden
Bürgermeister Rühle durch den ,,Ausreuter“ der zweiten Tafel bekannt
gemacht wurden.
Nach aufgehobener Tafel wurde mit Kaffee und nach jedes ,,appetit“ mit
Wein, des Abends aber mit kalter Küche, Backwerk , Wein und Punsch
aufgewartet. Um 6 Uhr erhoben sich Kammerpräsident aus dem Winkel und
Stiftshauptmann v. Arnstedt und begaben sich zu Wagen in ihr Quartier.
Kurz darauf haben sich der Bürgermeister Rühle und Bürgermeister Henneberg
nebst dem Syndikus Vogt ebenfalls in die Apotheke begeben, um dem Herrn
Gesandten nochmals für die dem Magistrat erwiesene Gnade ehrerbietigst zu
danken, eine glückliche Reise zu wünschen und sich ,,zu gnädigem Andenken“
zu empfehlen, zugleich auch das übliche Ehrengeschenk und zwar mit 30
Reichstalern in Gold statt 2 Wispel Hafer und 6 Kannen Wein zu
überreichen. Der Herr Kammerpräsident ist darauf mit dem Assessor v. Faber
sogleich abgereist. Das gleiche Ehrengeschenk wurde dem Stiftshauptmann v.
Arnstedt übermittelt.
In dem vom Stadtschreiber Pfannenschmidt über die Einführungs-
feierlichkeiten verfaßten sehr eingehenden Bericht wird noch vermerkt, daß
der Herr Stiftshauptmann nochmals auf dem ,,Gosekeller“, d.h. dem
Ratskeller, erschienen sei und sich´s bis des ,,Nachts 1 Uhr“ in der
Gesellschaft gefallen ließ, mit denen Damens einige Menuets zu tanzen
beliebten, auch beim Spiele sich belustigten, worauf er höchst zufrieden
und vergnüglich sich in sein Quartier begeben“. Auch habe die hohe
Gesellschaft ihre vollkommenste Zufriedenheit über die gute Ordnung und
Aufmerksamkeit des Magistrats zu erkennen gegeben. Diese ,,Aufmerksamkeit“
hat allerdings der Stadt Quedlinburg ein ansehnliches Sümmchen gekostet.
Als am nächsten Morgen ganz früh die Bürgerposten wieder in der
Ratsapotheke erschienen, um auch am 15. Juni dem neuen Herrn
Stiftshauptmann die Ehrenwache zu leisten, ließ ihnen dieser (mitleidigen
und verständnisinnigen Herzens) sagen, sie möchten nach Hause gehen, was
den Herren wohl sehr willkommen gewesen sein wird. Am 15. Juni kamen die 8
Bürger, die beim Festmal ------ jedenfalls mit lechzendem Munde ------
aufgewartet hatten, auch zu ihrem Rechte, tags nach der Introduktion wurde
ihnen ein Mittagessen verabreicht, bestehend in einer Suppe, einem Stück
Rindfleisch mit Senf, Fisch, Braten mit Zubehör, einer Biskuittorte,
Butter und Käse und 9 ,,Bouteillen Frantzwein“. Ferner wurde ihnen auch
noch die Ergötzlichkeit bereitet, daß der Stadtmusikant Rosen mit seinen
Leuten mit Musik ,,aufwarten“ mußte.
Als dies Nachessen vorbei war, erschienen gegen Abend des 15. Juni die
Herren des Magistrats zum Kehraus. Um ,,das Vergnügen vollkommen zu
machen“, ließen sie ihre Familien gleichfalls ,,auf den Ratskeller
einholen und mit denenselben unter einander tantzen, wobey kalte Küche
nebst Gebackenem , verschiedene Sorten Wein und dem späten Abend Punsch
vorgesetzt worden, da sie dann erst gegen Morgen vergnügt nach Hause gehen
konnten“, d.h. wohl: sie waren trotzdem noch taktfest auf den Füßen.
In den Tagen vom 13. bis 15. Juni hatte der Magistrat auch für angemessene
Bewirtung der Diener des Herrn Kammerpräsident und des Stiftshauptmanns
Sorge getragen, wo bei die Ratskellerwirtin, Frau Romanus , ihnen täglich
2 Flaschen Wein vorsetzen mußte.
Für die während der Feierlichkeiten ausgeführte Vokal- und
Instrumentalmusik erhielt der Stadtmusikant Rosen 10 Taler bar, außerdem
einen ,,Kalbsbraten“ und statt der Fische, ,,weil deren keine zu kriegen
gewesen“, 1 Taler 8 Groschen an Geld und sechs Flaschen Wein. Der
Stadtmusikant Volek bekam für seine Leistungen 4 Taler, statt der Speisung
ebenfalls einen ,,Kalbsbraten“ und statt der Fische, 1 Taler nebst vier
Flaschen Wein, und der Stadtorganist Rosen 2 Taler und zwei Flaschen Wein. |
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Gefunden im Quedlinburger Kreisblatt
vom 20. September 1911 ohne Namen des Autoren |
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