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Die
Lesereise des "Kölner Stadt-Anzeiger" führte in die Fachwerkstadt
Quedlinburg am Nordrand des Harzes |
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Durch
Nacht |
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und
Nebel |
von Thorsten Moeck ,
18.Sept.2006 |
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Wenn
die Sonne hinter den Fachwerkhäusern verschwindet, bricht in Quedlinburg
die Zeit der Nachtwächter an. |
In
früheren Jahrhunderten schlenderten die Männer in der Dunkelheit einsam
durch die Strassen. - Heute haben sie regelmäßig eine Schar
Touristen im Schlepptau. |
Schon
seit zehn Jahren schlüpft der Stadtführer Rüdiger Mertsch in die Rolle
des Hobby - Nachtwächters. In der einen Hand hält er eine Laterne, in
der anderen eine Hellebarde. Dunkelgrün ist sein Lodenumhang. - "Der ist
wasserdicht", sagt er zufrieden, "nur der Filzhut wird im Regen schwer
wie ein Stahlhelm." Zum Glück ist es trocken. |
Es ist
der letzte Montag im August. Der wilde Wein, der an der Renaissance -
Fassade des Rathauses emporkletter, beginnt sich allmählich von Grün in
ein dunkles Rot zu verfärben. |
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Es dämmert
bereits. Rüdiger Mertsch hat jetzt Zeit für Anekdoten. Zum Beispiel
über die Straßennamen, die alle mit einem quadratischen weißen Punkt
enden. "Das geht auf frühere Rechtschreibregeln zurück. Und die
Drucktechnik ließ damals nur eckige Punkte zu", erklärt er.
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Noch
heute haben alle Straßenschilder den eckigen Punkt, nur in der Straße
mit dem Furcht einflößenden Namen "Die Hölle" nicht. "Das Schild ist mal
geklaut und erneuert worden. Die Stadtverwaltung hat gepennt", sagt
Mertsch und führt die Besucher weiter durch die verwinkelten Gassen der
1300 Fachwerkbauten. Seit 1994 gehört die Altstadt zum Weltkulturerbe
der Unseco. |
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Diesmal kommen die Nachtwanderer aus Köln und Umgebung. Es sind
Teilnehmer der Leserreise des "Kölner Stadt-Anzeiger". Vom 28. bis zum
31. August dauert der Abstecher an den nördlichen Rand des Harzes. Wegen
der großen Nachfrage hat eine zweite Gruppe bereits eine Woche zuvor die
Reise angetreten. Insgesamt 90 Leser haben sich vier Tage Zeit genommen,
um Sehenswürdigkeiten von Quedlinburg, Gernrode, Blankenburg und
Wernigerode zu entdecken. Am zweiten Tag geht es mit der Eisenbahn auf
den Brocken, der höchsten Erhebung im Harz. Laut Statistik herrscht hier
nur an 60 Tagen im Jahr gute Sicht. Heute ist solch ein Tag. "Wir sind
zwar schon um 6 Uhr aufgestanden, aber für diese Sicht hat es sich
gelohnt", sagt Helmut Hack. Die zweite Reisegruppe aus Köln hat nicht
soviel Glück. Dichter Nebel umhüllt den 1142 Meter hohen Brocken. |
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In Gernrode
herrscht ganzjährig gute Sicht. Das Ziel der meisten Stadtbesucher ist
die Kirche Sankt Cyriakus. Bereits im Jahre 959 wurde auf Veranlassung
des Markgrafen Gero mit dem Bau der Kathedrale begonnen. Sie gilt als
die schönste Kirche im Harz. Bis vor zwei Jahren wurde die Westapsis
aufwendig restauriert - das immense Deckenmosaik wirkt wie frisch
verlegt. Es Zeigt Jesus mit seinen Jüngern. "Absolut eindrucksvoll",
findet Helmut Hack. "Der Osten gehört zu uns, aber man kennt doch
wenig", sagt der 66-jährige Kölner. Ein bisschen ist es auch
Entdeckungsreise. |
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Einige
Reisende kennen Quedlinburg noch von früher. Für manche war es Heimat,
für andere Urlaubsziel. Eine ältere Frau aus Köln ist hier aufgewachsen.
"Zu DDR-Zeiten war der Ort richtig runtergekommen. Es ist zwar viel
gemacht worden, trotzdem muss noch einiges geschehen", sagt sie. Von
ihrem Zimmer im schicken Hotel Quedlinburger Stadtschloss blickt sie auf
ein verfallenes Fachwerkhaus. Nicht das einige im Ort. Zum Teil stehen
renovierte und vom Einsturz bedrohte Häuser Wand an Wand. Ein Zeichen
der Abwanderungswelle, die nach der Wiedervereinigung eingesetzt hat.
Früher hatte die Stadt einmal 32000 Einwohner, geblieben sind knapp
23000 Menschen. Jeder vierte ist arbeitslos. |
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Die
Sorgen der Einwohner verblassen ein wenig hinter den schmucken Fassaden
der Stadt. |
Im
Schloss thronte einst König Heinrich I. Sein Grab befindet sich in der
Stiftskirche Sankt Servatius, einem mächtigen romanischen Bauwerk mit
zwei Türmen. "Das Reiseprogramm ist gespickt mit Sehenswürdigkeiten.
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In
Quedlinburg hätte man noch mehr Zeit verbringen können", sagt Brigitte
Mengelberg aus Steinfeld in der Eifel. Sie will wiederkommen und den
Harz zu Fuß durchwandern. Nicht unbedingt im Dunkeln, denn das ist in
Quedlinburg alleine Sache der Nachtwächter. |
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