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Der Quedlinburger
Nachtwächter begeistert Stadtflaneure |
mit großem
Humor und enormer Geschichtskenntnis. |
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Ein Bericht aus dem
Kundenmagazin der Stadtwerke Quedlinburg |
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Erstausgabe 2004 |
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Eigentlich ist Quedlinburg ein
friedliches Städtchen. Auch am Abend. |
Trotzdem ist Rüdiger Mertsch oft
bewaffnet, wenn er nach Einbruch der Dunkelheit das Haus verlässt. |
Während manche Zeitgenossen sich
auf einen zugkräftigen Knirps verlassen, geht Mertsch mit einer
mannsgroßen Hellebarde auf die Straße. Ungeniert. |
Und weil auf die ehrwürdigen
Straßenlaternen auch nicht mehr Verlass ist, schleppt der 65-Jährige
seine eigene Laterne mit. Natürlich eine wetterfeste Petroleumlampe.
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Das Öl reicht für sechs Stunden.
Doch solange ist er meist nicht unterwegs. Oft sammelt ihn seine Frau
schon nach 90 Minuten wieder ein, mal am Schlossberg, mal vorm Brauhaus
oder in irgendeiner Gasse. Je nachdem, wo sein Einsatz zu Ende ging.
Sein Einsatz als Nachtwächter. |
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Lustige Lehrstunde |
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Seit acht Jahren streift Rüdiger
Mertsch in mittelalterlichem Habitus durch die Quedlinburger Nacht -
stets ein Grüppchen neugierig oder amüsant Lauschender im Schlepptau. |
Sein Stadtführerleben begann
allerdings schon in der DDR, vor fast 20 Jahren. |
Inzwischen hat nicht nur das
häusliche Heimatliteratur-Archiv imposante Ausmaße erreicht, sondern
auch sein immer und überall abrufbares Guide-Wissen. "Wo sie mich auch
in der Altstadt hinstellen, ich kann da mit der Führung anfangen",
schmunzelt Mertsch. |
Am Tage reiche es, die
Quedlinburger Geschichte zu erklären. Als Nachtwächter müsse er die
Geschichte dagegen mit Geschichten würzen. "Da braucht man sehr viel
Hintergrundwissen." Zumal sich manche Besucher akribisch auf ihren
Ausflug in die Weltkulturerbe-Stadt vorbereiten. "Die fragen ganz
gezielt, wenn man dann einige Male nichts weiß, lässt man die Finger
davon", ahnt der Fachmann. |
Bei Jugendlichen sei er es oft,
der die Fragen stellt, um in Quiz-Manier das fehlende Interesse zu
wecken. Ein Nachtwächter braucht eben auch psychologisches Gespür,
keineswegs nur bei halbwüchsigem Publikum. |
Wenn er gewisse Gruppen von einer
gemütlichen Kneipenrunde abhole oder eine Hochzeitsgesellschaft zwischen
Souper und Schwof in die Historie führe, versuche er "die Leute auf
lustige Art zu kriegen". |
Dann wird der Nachtwächter zum
Entertainer. Mit Witz und Gesang. "Ich bin der Einzige, der sehr laut
singt", sagt Mertsch. Und denkt an seine vier anderen
Nachtwächter-Kollegen. - Er singt übrigens immer. Gleich nach der
Begrüßung. Das alte Lied. In dem er den Quedlinburgern die aktuelle
Uhrzeit mitteilt und ihnen eine "Gute Nacht" wünscht. |
Natürlich mit den üblichen
Hinweisen:
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"Löscht das
Feuer und das Licht, schließt die Fenster und Türen". |
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Vor der Belehrung wird ins Horn
gestoßen, auf dass jeder genau hinhöre. |
"Angefangen habe ich mit einer
kleinen Tute Made in Hongkong", erinnert sich Mertsch. die hat mancher
überhört. Sein jetziges Instrument kann sich - zumindest akustisch - mit
einem echten Alphorn messen. |
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Aha-Effekt sicher |
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Wenn er beim Passieren eines
gewissen Cafes "schön laut" trompetet, werde ihm auf offener Straße "ein
ganz kleines, niedliches Bierchen" serviert, lacht der Nachtwächter. Das
hat Einfluss auf die Wächter-Route.
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Genauso gern gehe er über den
Münzenberg. Da würden die Gäste eine ganz andere Stadt erleben, mit
wunderschönen Aussichten und Aha-Effekt. |
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