Albert von Reinstein

 
Von den Vorbergen des Harzes sieht man die Burg Regenstein. Wie ein Adlernest blickt sie hinab in die fruchtbare Ebene, wo Bürgerfleiß und Bauernschweiß sich bemerkbar macht in blühenden Gärten und Feldern.
Auf dieser Burg wohnte einst Albrecht von Reinstein, der Schutzvogt von Quedlinburg. Die Quedlinburger waren aber dieses Schutzvogtes überdrüssig, da Albrecht so dreist und willkürlich in die Rechte der Bürger und des Stiftes eingriff, das es ihnen nicht länger erträglich schien. Was sollte man mit solchem Schirmherrn, der räubermäßig handelte an seinen Schutzbefohlenen? Darum entschlossen sie sich, loszuziehen gegen den Grafen. Er bekam Wind davon und war nun, statt auf dem Regenstein, bald auf der Gersdorfer-, bald der Altenburg oder im Wipertikloster bei Quedlinburg. Da war natürlich bald der Kampf im Gange, und die Quedlinburger schlugen den Reinsteiner verschiedene Mal aus dem Felde.
 
Eine Zeit lang zog er sich nun zurück, aber stets fühlten sich die Quedlinburger von Spionage umgeben, wussten, dass Albrecht sich rächen würde und bauten deshalb Mauern und Türme zur Abwehr. Sie hielten sich trefflich gerüstet, und als Albrecht zurück kam  -  mit neuer Macht, ward er nochmals geschlagen, flüchtete der Gersdorfer Burg zu und  -  war plötzlich umringt.
 
Da musste der stolze Ritter demütig einher trotten inmitten der jubelnden Bürger. Nicht hoch zu Ross, nein zu Fuß, im schweren Harnisch, verwundet, müd und matt zum Sterben, so zog er ein in Quedlinburg.
 

Sein Gefängnis? O Schmach!

 
Ein Käfig war`s, der täuschend einem Stalle glich. Die Tür war so niedrig, dass er hineinkriechen musste! Und nun wurden ihm Forderungen gestellt!
 

Waren die Bürger unsinnig?

 
Nein, nein, bestimmt, er fügte sich nicht! Sein Recht und Eigentum opfern und dem Feinde geben? Nimmermehr!
 
So saß er Jahr und Tag und glaubte die Quedlinburger bezwingen zu können durch Trotz.
Dunkel um ihn, dunkel in ihm, so lag er auf hartem hölzernen Fußboden.
 

Gefangen! Im Käfig!

Er, ein Ritter ohne Furcht und jetzt  -  was war er jetzt?

 
Er schüttelte sich vor Wut, dass die Ketten klirrten; er schlug gegen die Holzwand....
....umsonst sein Toben!
 
Umsonst seine Wut und sein Groll auf Quedlinburg! Wie er auch schallt auf das "Bürgerpack", was half es? Er war und blieb gefangen, gefesselt durch ihre Macht und Gewalt. Nicht ein Menschendasein war das seinige, nein, wie das eines Raben, den man zur Zähmung in das Dunkle sperrt. Er, der sonst frei wie ein Adler Rundblick gehalten von seinem Horst, er war in einem Gefängnis, wie es für Räuber und Mörder nicht schlimmer sein konnte.
 

Hatte er das verdient?

 
Er glaubte in ehrlicher Fehde gekämpft zu haben, wie sie es alle taten, die Ritter und Herren seiner Tage. Und darum beugte er sich nicht! Nein, er wollte es nicht! Die Ketten rasselten, die Hand schlug an die Käfigwand, das es dröhnte. Doch  -  er wollte frei sein! Wollte lieber alles geloben, nur frei sein! Wort halten? Das andere fand sich nachher.
 
Weiter raste er und pochte und lärmte. Keiner kam, der Hauswart war längst an das Toben des Gefangenen gewöhnt und ließ sich nicht mehr dadurch stören.
 

Poche doch weiter Graf Reinstein! Hast Du gehört auf Bitten und Vorstellungen? Hast Du nicht Stadt und Stift geschädigt, wo Du konntest? Warst Du nicht ein Krebsschaden für unser Eigentum? Rüttle nur, die Musik ist köstlich für das Ohr des beruhigten Bürgers. Dich freilassen? Hei, das sollte Dir behagen. Du solltest wohl lachen!

 
Dazumale war der Hauswart eine wichtige Person für Quedlinburg, und das wusste er auch. Wie mancher möchte jetzt noch einmal mit ihm plaudern. Könnte er kommen und berichten, wie es war und zuging in jener Zeit!  -
Aber der Hauswart schläft jetzt fest, so fest, wie Albrecht von Reinstein. Die Zeit verrinnt, und der Menschenstrom wälzt sich weiter; Welle für Welle rollt dahin.  -
 
Als nun neue Fragen an Albrecht gerichtet worden, war er trotziger, verbissener als je. Nein, er brauchte nicht nachzugeben.
 
Da verurteilte ihn der Hansa - Bund zum Tode durchs Schwert. Das Schafott ward errichtet, das Tuch gekauft, womit er sollte bedeckt werden. Und der Tag rückte heran, wo des mächtigen Grafen Haupt fallen sollte durch Henkers Hand.
 
Da erst beugte er sich, er gestand alle Forderungen zu, gab nach in allem, was man verlangte, und so kam er denn frei.
Sieben Türme musste er bauen um Quedlinburg her, musste Wald hergeben und versprechen, dass er und seine Nachkommen nie wieder Quedlinburg belästigen wollten durch Räuberei und Fehde.
 
So kam Graf Reinstein endlich frei und wohnte wieder auf seiner Burg, die stolz in das Land blickte wie noch heute die Ruinen.
Der Holzkäfig steht noch heute in Quedlinburg, und staunend steht der Fremde, schaut die dicken Holzwände und die kleine, kleine Tür. Hu, da musste Graf Reinstein hineinkriechen! In diesem elenden Verließ hat er beinahe zwei Jahre zubringen müssen, der stolze, gewaltige >Schirmvogt zu Quedlinburg!<